Rafael Heygster: I died 22 Times

VGH Fotopreis Gewinner 2018

Rafael Heygsters Arbeit handelt von Airsoft, einer Freizeitaktivität, die dem Spielprinzip von Paintball oder Lasertag ähnelt. Was Teilnehmer als Geländesportart bezeichnen, stößt wegen des stark militaristischen Charakters mit kriegsähnlichen Szenarien bei Außenstehenden oft auf Ablehnung und Unverständnis.

Die Fotoreportage weckt beim Betrachter durchaus zwiespältige Gefühle. Denn einerseits geht es um scheinbar harmlose Wettkämpfe, um das Ideal, clever, stark, durchsetzungs- und teamfähig zu sein. Doch „darf“ man Gefallen daran finden, mit funktionsfähigen Waffenrepliken, Tarnanzügen und kompletter Ausrüstung militärische Operationen nachzustellen und sich mit Plastikprojektilen abzuschießen, während uns täglich Bilder und Nachrichten aus realen Kriegsgebieten erreichen? Blenden Airsoft-Fans zugunsten des Spaßfaktors und eines maskulin geprägten Rollenbildes aus, was ein echter Krieg bedeutet? Fragen, die die Betrachter*innen von „I Died 22 Times“ letztlich nur für sich entscheiden können.

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Während eines Spiels steigen Spieler aus einem ausrangierten Opel Corsa. Zu größeren Events bringen einige Teams eigene Fahrzeuge mit.
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Die Zwillinge Tobias (oben) und Marcus (unten). Tobias arbeitet als Elektriker, Marcus ist Zeitsoldat bei der Bundeswehr.
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Einige Formen von Pyrotechnik sind in Deutschland verboten. Dieses Event findet in Polen, wenige Kilometer hinter der deutschen Grenze statt, es nehmen ausschließlich Deutsche teil. Die gesetzlichen Regelungen für Airsoftwaffen sind in Polen weniger streng als in Deutschland.
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Müllsäcke sollen Leichen imitieren und sind Teil einer Mission, die es auf einem mehrtägigen Event zu erledigen gibt.
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Sebastian (hinten) und Stefano, 33, (vorne) inszenieren am Rande eines Spieles in der Nähe von Koblenz ein Manöver. Stefano hat sechs Jahre lang bei einer italienischen Spezialeinheit gedient und war drei Mal in Afghanistan. Heutzutage arbeitet er als chirurgisch-technischer Assistent in einer Klinik und hilft bei Ärzten bei Operationen. „Ich war damals froh, einen Stopp zu haben. Damit keine weiteren Menschen sterben. Und ich habe meine Freunde und Beziehungen zu Hause vermisst“ berichtet er über das Ende seiner Militärlaufbahn. Einige Jahre später begann er, Airsoft zu spielen. Zwar gäbe es beim Airsoft immer wieder Situationen, die ihn an die Realität aus seiner Militärzeit erinnern, aber er könne zwischen dem Spiel und der Realität klar unterscheiden. Er schätze den Zusammenhalt in seinem Team und möchte die Bewegungsabläufe an der Waffe weiterhin trainieren. Außerhalb von Airsoft-Spielen unternimmt sein Team Grillabende, gemeinsame Wanderungen und Städtetouren.
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Während andere auf dem Spielfeld kämpfen und Missionen erledigen, zieht dieser Spieler es vor, sich in der „Safe Zone“ zu betrinken.
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Am Letzten Abend der „Operation Endzeit“ tritt eine Stripperin auf. Viele Spieler berichten, dies sei für sie der Höhepunkt des Wochenendes.
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Willy besitzt kein teures Gewehr und kämpft lediglich mit Pistole. Zum Event wird er von seiner Mutter gebracht und abgeholt.
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Rundfahrt mit einem alten T55 Kampfpanzer: Auf dem Event „Operation Endzeit - Rollender Stahl“ werden als Rahmenprogramm zusätzlich zum Spiel auch Bunkerführungen, Partys und Panzerrundfahrten angeboten.
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Airsoft-Spieler Len zu Hause mit seiner Freundin Nina und Hund Diego.
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Jan, 24, kommt aus einer Jägerfamilie und ist mit Waffen aufgewachsen. Er selbst arbeitet als Tischler.
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Nicht jeder möchte sein Gesicht zeigen: Airsoft-Spieler „Lion“ (nicht im Bild) ist mit zwei X- sowie einem Y-Chromosom geboren und ist somit nicht eindeutig Mann oder Frau. Sein Körper produziert kein Testosteron, einen Brustansatz hat er sich wegoperieren lassen. Beim Airsoft lebt er maskuline Stereotypen aus, manchmal möchte er jedoch alles hinter sich lassen und lieber als Frau leben. Mit guten Freunden spricht er darüber. Die Airsoft-Community zeigt wenig Verständnis für Intersexualität.
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Deutschlands größtes Airsoft-Event heißt „Dark Emergency“ und wird von etwa 1.500 Spielern besucht. Das Festival bietet neben mehrtägigen Airsoft-Spielen auch Camping, Bühnenshows, Messestände und Fressbuden.
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Marcel im Licht eines Baustrahlers auf einer Party in einem ehemaligen Bunker am Abend vor einem Spiel. Die Partygäste feiern mit Bier und Techno-Musik.
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Spielfeldbesitzer Matthias nimmt als Santa Claus verkleidet am einem Adventsspiel teil. Er bietet neben Spielen auch Workshops an, deren Inhalte sich an militärischen Trainings orientieren.
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Jan hat seinen Spielernamen „Bonez“ in den Griff einer Pistole geritzt. Sein Spielzeugwaffenarsenal lagert er unter seinem Bett.
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Manuel, 36, nach einem Spieltag in der Nähe von Koblenz. Airsoft spielt er seit etwa einem Jahr. Unter der Woche arbeitet er als Garten- und Landschaftsbauer.
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Waffen werden zum Fetischobjekt.
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Bizarres Bühnenprogramm: Spieler können bei einem Glücksspiel auf einem Airsoft-Festival ihre Waffe als Wetteinsatz setzen. Ein Glücksrad ermittelt, ob der Herausforderer ein neues Gewehr gewinnt oder ein Penis-Symbol auf die eigene Waffe gravieren lassen muss.
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Rauchgranaten in einem Feld sollen einen darin versteckten Scharfschützen ausräuchern.

Rafael Heygster

Rafael Heygster

1990 in Bremen geboren

2010 – 2015 Studium Kulturanthropologie an der Universität Hamburg

seit 2015 studiert er Fotojournalismus an der Hochschule Hannover

www.rafael-heygster.de